Regentropfen, die durch das Zeltdach tropfen … Sommernachtsball in Luppenau
… und ein unglücklicher Fotograf – könnte man hinzufügen. Sie werden auf den Seiten des Fördervereins beinahe nichts finden. Alles unscharf, alles dunkel, alles rot. Das Magnetfeld der Boxen hatte die Elektronik der Kamera gestört. Lediglich das Aufgeschriebene bringt zwei komplementäre Farbtupfer in den Bericht, der ohne sie Gefahr liefe
- in jahrelanger Wiederholung der handgemachten Musik von Two Riders, der Disco Jörg Uhlmanns, der Tanzfreude des Publikums, des Kampfes gegen Hunger und Durst, siegreich geführt vom Team der Gaststätte, der Gartenmöbelraufundrunterträger, Tischdekoriererinnen, all jener, die man bei vergleichbaren Ereignissen immer wieder sieht oder auch nicht, weil sie ihre Aufgaben jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit verrichten – zu erstarren. Die übliche Variable Wetter zu bemühen, könnte noch lange an eines der übelsten Kapitel deutscher Klimaforschung erinnern, so heiß und trocken, dass jede Anstrengung ein Risiko für den Wasserhaushalt des ohnehin geschundenen Körpers darstellen würde. Das romantische Ambiente von Schloss, Park und alter Platane würde unspektakulär selbstverständlich wahrgenommen, hätte nicht kürzlich der alte Baum mit Getöse und Mordgefahr auf seine Vergänglichkeit hingewiesen. Ungeachtet drohenden Astbruchs klopft ein Grünspecht Würmer aus dem teilweise morschen Holz und füttert damit seine Brut. In Abwägung von Vogelglück und dringend gebotener Baumsicherung entschied die Behörde zu Gunsten des Vogels und verordnete parkeinengendes rotes Flatterband zum Schutz der Bevölkerung. Diese vergnügte sich auf der verbliebenen Fläche, belagerte die Stehtische in unmittelbarer Reichweite des Bierwagens, was witterungsangepasst vernünftig und kommunikativ war. Auch konnten hier keine Späne herunterrieseln, jenseits der Spannweite der Krone. Andere taten das, was ihnen geheißen und tanzten. Nicht dass diese Menschen leichtsinnig gewesen wären. Ich wurde sogar auf die mögliche Gefahr des Abstürzens vom Parkett hingewiesen – ob man nicht ein Geländer anbringen sollte! Zugegeben – man kann aber auch einfach so umknicken oder vor Erschöpfung umfallen, bei dieser dehydrierenden Hitze! Dann kam der Regen, kein aufs Zeltdach trommelndes Stakkato aber richtiger Regen und die Striche, die sich vertikal vor den Musikern durch das Bild ziehen (wenn man sie im Kurier erkennt) sind überlang belichtete, fallende Regentropfen. Zu wenige um den dörrenden Wiesen noch einen grünen Schub zu verleihen oder eine nennenswerte Flucht von den Biertischen ins Zeltinnere zu verursachen. Aber Regen, nach monatelanger Dürre Regen zum Sommernachtsball!
Dank des harmonischen Zusammenspiels von Band und Disco wird Löpitz einer kaum unterbrochenen Dauerbeschallung unterzogen. Wenn gegen 23.00 Uhr plötzlich Stille einsetzt, wissen die in ihren Häusern verbliebenen Anwohner sicherlich nicht, dass der Abend seinem absoluten Höhepunkt zustrebt. Drei seriöse Herren des Vorstandes führten eine bezaubernde Glücksfee auf die Bühne. (Vielleicht schauen Sie doch mal nach – www.luppenauerfoerderverei.de!)
Als Luppenauer Glücksfee allerdings genügt Schönheit nicht allein. Die Qualifikation erwirbt man in kleinen Schritten, vorzugsweise durch Dienst am Glücksrad beim Kinderfest. Nach Jahren dann kommt der große Auftritt im Blitzgewitter. Glück, meine sehr geehrten Leser, ist etwas sehr Schwieriges. Soziologen gelingt es Glück zu messen und eine Skala zu definieren. Bedauerlicherweise lässt das Glücksgefühl keine Rückschlusse auf die realen Lebensumstände zu, noch schlimmer, der Referenzpunkt des Glücks befindet sich oft im Negativbereich, sozusagen im Unglück. Ein sich davon wohl unterscheidender Sonderfall ist das Losglück. Man hat es oder nicht. Es trifft den Beglückten ungeachtet seiner Befindlichkeit und, im Falle des an die Eintrittskarte gekoppelten Loses, ohne sein Zutun. Noch besser – die nicht vom Glück Getroffenen sind deswegen keineswegs unglücklich. Sie haben nichts anderes erwartet, freuen sich in der Regel neidlos mit dem Gewinner. Da es in Luppenau nur hochwertige Preise gibt, erübrigt sich die Bewertung des Scheinglücks bei minderwertigen Trostpreisen. So bleibt nur noch die Frage zu beantworten, ob es vorkommt, dass Menschen mehrmals oder öfter als andere vom Losglück getroffen werden. Dass es Personen gibt, die ein ganzes langes Leben noch nie getroffen wurden, weiß ich aus eigener Erfahrung. Die Durchsicht alter Bilddateien bestätigt die vermutete Existenz von Mehrfachgewinnern, führt allerdings die bisherigen Überlegungen ad absurdum. Am 1. August 2011 gewann Frau L. ein Vogelhäuschen. Ein sehr bescheidenes Vogelhäuschen. Stellen Sie sich eine umgedrehte kleine Fußbank mit roh gezimmertem Pappdach vor. Weit ausgestreckte Arme mit nach oben geöffneten Handflächen nehmen den vom Schatzmeister hochgehaltenen Gewinn entgegen. Das erwartungsfrohe Antlitz korrespondiert mit dem glücklich-zustimmenden Lächeln der damaligen Fee. In Hüfthöhe befindet sich als Quell der freudigen Szene eine große Haribo-Büchse mit den Losen, die selbe, aus der 7 Jahre später, ebenfalls wieder Frau L. eine grüne Box mit wirklich teurem Werkzeug generiert. Ein spitz von sich weisender Zeigefinger deutet auf ihren eiligst herbeigerufenen Ehemann, der ihr diesen sozusagen widerlichen Ungewinn abnehmen musste. Aber wenn man genau hinsieht, hat die inzwischen auf Reset gesetzte Kamera ein amüsiertes Lächeln eingefangen. Andere Gäste freuten sich schlicht über besonders prall gefüllte Luppenauer Gartensäcke mit grünförderndem Inhalt, einen Kercher, und einen Braekfast-Maker, der Eier kochen, toasten und Gemüse dämpfen kann.
Vogelhäuschen gab es diesmal nicht, aber einen weiteren Vogel: Ein Grünspecht mit verletztem Flügel bewegte sich artfremd über die Wiese. Der Luppenauer Bürger, der diese mitleidserregende Szene beobachtet hatte, wies sofort seine Frau an, das Tier zu fangen und vor dem roten Raubkater in Sicherheit zu bringen. Nach einer Reihe von Telefonaten, geführt mit einem Ornithologen, einem Bund und einer Behörde, die ihre Verantwortung im Schutz der Natur vor den Menschen sehen, wurde der Vogelfreund mit diesem konkreten Problem hilflos alleingelassen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Fahrt in den nächstgelegenen Zoo anzutreten. Dort sicherte man freundlich Aufnahme und Behandlung zu. Diese anrührende Geschichte erfuhren wir, als nach dem Aufräumen am nächsten Tag ein letztes Bier getrunken wurde. Die Hauptarbeit für diese Traditionsveranstaltung – das Auf- und Abbauen der Zelte übernahm der Grobe-Trupp von der Servicestation Schkopau, was Ortsbürgermeisterin und Vereinsvorsitzender in diesem Beitrag dankend erwähnt wissen möchten – sehr gerne! In einem kurzen Moment der Stille konnten wir es hören, das Klopfen – lang, kurz, kurz, lang… Ich bin sicher, dass es nicht nur dazu dient, den Wurm aus der Borke zu treiben. Hier wird eine Information verschlüsselt in die Aue gemorst, die umso weiter trägt, je hohler der Baum ist. Eine Nachricht, vielleicht nicht über den gelungenen Sommernachtsball, das erledigt der Kurier, aber bestimmt über die liebenswerten, zupackenden, vogelfreundlichen Menschen, hier in Luppenau. Wünschen wir Baum und Specht, dass Knochen wie Äste durch geeignete Maßnahmen stabilisiert werden können und Tänzer von derlei Unglück verschont bleiben.
I. Bakkal