Rückblick
2012
Ausfahrt des Luppenauer Fördervereins e. V. am 08.09.2012
Spreepartie mit Schirm
Kein gewöhnlicher Schirm. Vor fast 20 Jahren musste ich ihn beim Verlassen eines seinerzeit legendären Berliner Kaufhauses für 75 DM erwerben, weil es Strippen regnete. (Nicht Schrippen, das sind Brötchen sondern Strippen, was Schnüre bedeutet und im Zusammenhang mit heftigem Regen zum Ausdruck bringt, dass sich keine Tropfen mehr differenzieren lassen.) Ein preiswerteres Exemplar war nicht zu haben, in diesem Sündentempel gehobenen Einkaufens. Und eben dieses Kaufhaus Des Westens war nach der geplanten Spreetour optionales Reiseziel, neben Fernsehturm und Hackeschen Höfen.
Das muss er wohl mitbekommen haben, der Schirm, worauf er seine Teilnahme an der Reise energisch einfordern ließ. Dabei versprach es ein milder, sonniger Spätsommertag zu werden. Wurde es auch, in Luppenau. Der reiseverantwortliche Vereinsvorsitzende teilte meine Aversion und manipulierte die Gesellschaft geschickt, sich mit lediglich einer Gegenstimme für die Hackeschen Höfe zu entscheiden, dort ließe sich auch Geld ausgeben. Das wiederum missfiel dem Schirm in der Gepäckablage des Busses. Beim Überquerem der Elbe verfinsterte sich der Himmel und als der Berliner Funkturm in Sicht kam, prasselten große Tropfen auf die Panoramascheibe. Suboptimale Voraussetzungen für einen dreistündige Aufenthalt auf dem Sonnendeck der "Spreekrone" vom Charlottenburger Ufer bis nach Treptow und zurück. Bei feinem Niesel drängten die Vereinsmitglieder mit einigen Gästen zunächst in den Salon, noch ehe sie die Getränke ordern konnten, wurden die Leinen gelöst und die Reise begann stromaufwärts.
Berlin - wir verbinden die Metropole mit Politik, Kultur, Bildung, Konsum, aber weniger mit Flusskilometern und Brücken. Dabei sind es weit mehr, als in jener Stadt, für die Rialto- und Seufzerbrücke Wahrzeichen darstellen. Die Passagiere konnten sich bei Gefahr um Ihr Leben diesem neuen Wissen nicht entziehen. So galt es auf dem Oberdeck grundsätzlich zu sitzen, um ein Ab- oder Zerschlagen des Kopfes zu vermeiden. Das Ruderhaus senkte sich bei Bedarf, blieb es oben, war die Gefahr gering. Mit dieser Erkenntnis löste sich das eherne Prinzip des Sitzens auf.
Die Besatzung hatte ihre Mühe, neben dem Trocknen der Stühle nach jedem Schauer, Schädelverletzungen zu verhindern. Das "Porträt eines Schiffers" würdigt diesen Einsatz mit ganz persönlichem Dank. Der Fluss prägt die Ufer, aber auch die Gesichter der Menschen, die ein Leben auf ihm verbracht haben. So glitten wir vorbei an Schloss Bellevue und dem Bode-Museum. Der Berliner Dom, der nicht mehr mit seinem Spiegelbild im Palast der Republik kokettieren kann, erwartet sehnsüchtig den Wideraufbau des Schlosses als Humboldt-Forum. Einstweilen muss er sich mit einer gigantischen Box gleichen Namens begnügen. Die Symbole der neuen Zeit: Hauptbahnhof, O2-World und die Regierungsbauten; die Glaskuppel auf dem Reichstag als gelungene Symbiose zwischen damals und heute. An die jüngere Geschichte erinnerten die East-Side-Gallery, die Oberbaumbrücke und wohl vor allem der Bahnhof Friedrichstraße. Immer wieder bemerkten wir den Reiz restaurierter, in der Regel zweckentfremdeter Industriebauten des 20. Jahrhunderts. Dass die imposanten gläsernen TrepTowers, mit Sitz einer Versicherung, die roten Backsteine der Elektro-Apparate-Werke verdrängt haben, ist auch kennzeichnend für den Wandel. Zwischen allem verstreut Bereiche, die ein Strandleben vermitteln wollen, an diesem Tag leider nur mit leeren bunten Liegestühlen die vorbeifahrenden Schiffe grüßten.
Neptun verabschiedete die Spreefahrer mit einem kräftigen Guss und so haben Sie bitte Verständnis, dass ich die abschließende Aufmerksamkeit auf ein Fachgeschäft für Regenbekleidung in den Hackeschen Höfen richte. Hier widerstanden wir bei Preisen um die 400 EUR der Versuchung, einen farbenfrohen Latexmantel zu erstehen und begnügten uns mit dem Posieren auf Stühlen gleichen Materials. Es hatte auch aufgehört zu regnen.
Anmerkungen
Das Bild vom Schirm, und weitere Reiseeindrücke finden Sie, wie immer: www.luppenauer-foerderverein.de. Die Aufnahmen sind chronologisch geordnet, erscheinen jedoch wegen der Hin- und Rückfahrt unsortiert.
Der Vereinsvorsitzende Uhlmann hat den vorliegenden Beitrag auf hochdeutsch, mit dezent eingesprenkeltem Lokalcolorit bestellt. Ist dieser Zille-Slang noch typisch für Berlin? In einem wissenschaftlichen Artikel über die migrationsbedingte Bereicherung unserer Sprachkultur hieß es sinngemäß für die Verabredung zweier junger Leute am Nachmittag: "Du KaDeWe?" Na ja,
ick habe mir bemüht,
I. Bakkal
nach
oben
|